Was wäre, wenn wir die Welt unverlernt sehen könnten?
Unser Sehen ist konditioniert—von der Evolution darauf trainiert, Objekte zu identifizieren, zu benennen und zu kategorisieren. Wir sehen den Baum, nicht die Verzweigung. Die Wolke, nicht ihre aufquellende Architektur. In unserer Eile zu erkennen, übersehen wir die Strukturen, die alle Lebensformen verbinden.
Phase Shift kehrt das Vertraute um. Durch die Umkehrung der Tonwerte bei weitgehender Beibehaltung der ursprünglichen Farben besetzen diese Bilder einen unmöglichen Raum zwischen Negativ und Positiv, zwischen Dokument und Traum. Bäume leuchten wie Nervensysteme. Himmel vertiefen sich zu ozeanischen Leeren. Der Wald wird zur Kathedrale aus Adern und Gefäßen.
Dies ist Natur, seitlich betrachtet—durch das Facettenauge eines Insekts, den Blick von etwas, das von sehr weit her ankommt. Der Prozess entkleidet die Landschaft ihrer vertrauten Gewöhnlichkeit und enthüllt die Architektur, die wir nicht mehr bemerken: die fraktale Verzweigung winterlicher Bäume, die stille Choreografie der Wolken.
Die Präsentation ist wesentlicher Bestandteil des Werks. Gedruckt in etwa 60×90 cm auf Metallic-Papier, gewinnen die Bilder eine zusätzliche Dimension. Die reflektierende Oberfläche intensiviert die unwirkliche Leuchtkraft der invertierten Töne und integriert zugleich subtile Spiegelungen der Umgebung—den Betrachter, den Raum, das Licht—in das Bild selbst. Die Fotografie wird zum wandelbaren Objekt, niemals zweimal ganz gleich.
Der Titel entlehnt sich der Physik, wo eine Phasenverschiebung eine Veränderung nicht dessen beschreibt, was existiert, sondern wie es wahrgenommen wird. Diese Bilder verändern nicht die Natur. Sie verändern uns.
Vielleicht war das Mystische nie anderswo. Vielleicht war es immer hier und wartete darauf, dass sich unser Blick verschiebt.